LWL-Freilichtmuseum Detmold | Eingangs- und Ausstellungsgebäude | Erläuterungsbericht | 240897

                                   

„Auf gut 100 Hektar Museumsgelände zeigen und bewahren wir eine historische Kulturlandschaft mit den wesentlichen Haus- und Siedlungsformen der Region Westfalen...“(aus: Leitbild Museum)

Der Neubau des Eingangs- und Ausstellungsgebäudes, in Mitten dieser ausgewählten hochbaulichen Exponate soll sich angemessen und selbstbewusst als zeitgemäße Architektur in diesen baulichen Kontext einfügen ohne diesen zu dominieren. 

 

Einfügung | Diesem Gedanken folgend zeigen sich den Besucher*innen lediglich einzelne, am Maßstab des baulichen Kontexts orientierte Gebäudeteile, wie der Haupteingang am Parkplatz, das Museumscafé an der historischen Gartenanlage „Friedrichstal“, der Anlieferungspavillon sowie der Eintrittspavillon. Diese „Kleinarchitekturen“ stellen zudem Markierungen entlang des Weges in das Freigelände dar.

 

Der Weg | In seiner museumspädagogischen Funktion als Eingangsgebäude definiert der Neubau für die Besucher*innen den Übergang zwischen Alltagserfahrung und Ausstellungserlebnis, bei dem sie den Gegenwartskontext verlassen und in verschiedene historische Kontexte geleitet werden. Dem Weg und seiner Inszenierung kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Der Eintritt in den Berg mit den Ausstellungsräumen und das Durchschreiten des skulpturalen, mit zenitalem Tageslicht konturierten Treppenraums, während dessen jeglicher konkreter Kontext ausgeblendet wird, symbolisieren dabei den Übergang aus dem hektischen Alltag in die Welt des Freilichtmuseums. 

 

Freiraum | Der Idee folgend das neue Gebäude in die vorhandene, bewaldete Topographie der bestehenden Hangkante zu schieben, wird, mit Ausnahme der gläsernen Front des Eingangsgebäudes und eines Lichtbandes im Obergeschoss, die ganze Gebäudehülle an der Eingangsseite mit Erdreich überdeckt. In ähnlicher Hangneigung wie die angrenzenden Bestandshänge modelliert, entsteht so eine topographisch nahtlos in die Umgebung eingefügte Hangkante, die mit Nadel- und Laubbaumarten des umgebenden Waldes aufgeforstet wird. So wächst hier in einigen Jahren eine bewaldete Hangkante, die keinen Unterschied zu den angrenzenden, natürlichen Waldhängen erkennen lässt. Das äußere Entree des neuen Eingangs- und Ausstellungsgebäudes ist ein vom Eingangsbereich in Richtung  L937 leicht abfallender Platz aus Asphalt mit kunstharzgebundener Feinsplittbeschichtung. In dieser homogenen, barrierearmen Fläche sind bestehende Einzelbäume ergänzt durch eine lichte Baumhainpflanzung aus Bergahorn, ein im angrenzenden Buchen-Mischwald typischer Laubbaum, welcher insbesondere durch seine silbrig-graue Schuppenborke sowie prächtige, gold-gelbe Herbstblatt-färbung auffällt. Dieser Baum ist auch auf der oberen Gebäudeebene (Niveau der Gartenanlage Friedrichsthal) entlang der nördlichen Kante (Wettbewerbsgrenze) zur historischen Gartenanlage zu finden. Hier bildet er in Richtung Osten, in Verlängerung der südexponierten Cafe-Außenterrasse, das Bindeglied zwischen Ausstellungsgebäude, Eintrittspavillon und Freilichtmuseum. Gleichzeitig fungiert der Baum als lichter Raumfilter zwischen historischer Gartenanlage und angrenzendem Waldgebiet. Unterhalb dieser Bergahornbäume bieten in einer geschnittenen Rasenfläche eingelegte große Holzpodeste Aussichtspunkte und Erholungsbereiche für Ausstellungsbesucher und Wanderer, die hier Rast machen.

 

Nachhaltigkeit, Haustechnikkonzept | Das Entwurfskonzept stellt eine nachhaltige und Ressourcen schonenden Strategie dar. Durch die Lage in der Erde besitzt das Energiekonzept einen hohen passiven Anteil, dem Grundsatz folgend: „So wenig Klimatechnik wie möglich, so viel wie nötig“. In 10m Tiefe beträgt die Bodentemperatur über das gesamte Jahr konstant ca. 11°C. Diese hohe Temperaturkonstanz der umgebenen Flächen erlaubt den vollständigen Verzicht auf Kühlung. Die notwendige Energie für die Temperierung auf 20°C erfolgt mittels Erdwärme aus Tiefbohrungen (Geothermie) und den Einsatz von umschließender Betonkernaktivierung. Die elektrische Energie für den Betrieb der Pumpen wird direkt über eine PV-Anlage, integriert in das Dach des Cafés gewonnen. Die Vorteile eines solchen, stark passiven Klimakonzeptes liegen neben den minimalen Verbrauchskosten auch in einer hohen Havarie- und Ausfall-sicherheit.

 

Barrierefreiheit | Die gleichberechtigte Nutzung aller Gebäudeteile, auch für körperlich beeinträchtige Personen, ist durch die ebenerdige Erschließung, durch die Möglichkeit der Vorfahrt, den Aufzug und angemessene Flur- und Aufzugsbreiten gegeben. 

 

Anlieferung – Kassen | Die Anlieferung des Magazins erfolgt über die vorhandene Zufahrt. Es ist mittels eines Lastenaufzugs direkt an den Anlieferpavillon angebunden. Auch die Anlieferung des Cafés erfolgt über die obere, bereits heute vorhandene Erschließungsebene. Eine Anlieferung aus der Parkplatzebene über das Foyer ist gleichfalls möglich. Die vier Kassen sind mit einer Breite von je zwei Metern so ausgebildet, dass in Stoßzeiten eine Doppelbesetzung möglich ist.

 

Wirtschaftlichkeit – Materialität | Auf Grund der Lage großer Gebäudeteile des Neubaus im Erdreich, werden für den Teilbereich des Erdbaus höhere Kosten als üblich anfallen. Dem gegenüber ermöglicht diese Entscheidung aber erhebliche Einsparungen durch den Entfall großer, und üblicherweise kostenintensiver Fassadenanteile. Die konstante Umgebungstemperatur der umschließenden Erde ermöglicht zudem ein extrem nachhaltiges, da stark passiv geprägtes Klimakonzept, dass sich in verringerten Investitionskosten und minimalen Betriebskosten niederschlägt. Die vorherrschenden Materialien sind lagenweise eingebrachter Beton und Holz, beides natürliche nachhaltige und strapazierfähige Baustoffe mit stark atmosphärischer Wirkung.

Projektteam: Mark Streich, Pavla Briksova, Tim Kossel, Ismaeel Hosseini